St. Kilian, Möckmühl

Gestaltung

Jeder Kirchenraum hat seinen ureigenen Charakter, der sich natürlich auch in einer neuen Orgel widerspiegeln soll. Alle Dinge haben einen Stil, der das Zeitgefühl der Entstehungszeit wiedergibt.

Dieses Zeitgefühl ist nicht kopierbar. Die vermeintlich perfekte Kopie kann leicht (wie ein kopierter 100€ Schein) zur inhaltslosen Fälschung werden. Alles Neue soll, nach unserer Meinung, im positiven Dialog zum Vorhandenen stehen, ohne seine Eigenständigkeit und seine Herkunftszeit zu verleugnen.

So jung diese Kirche wirkt, hat sie doch schon eine 40 jährige Geschichte. Mit Ihrem aufgeräumten, ja beinahe puristischen Inneren setzt sie den Geist des II. Vatikanischen Konzils in Architektur um. Aus den geometrischen Figuren des Trapezes und des Dreiecks entsteht eine dem Menschen, dem Wort und der Eucharistiefeier zugewandte Raumform.

Die Grundzüge der Architektur inspirieren auch unsere Gestaltung. Andererseits ist das Gesicht der Orgel Spiegel ihres inneren Aufbaus, Ausgangspunkt aller Funktion. Bei ruhiger Betrachtung werden sie viele Elemente finden, die Ihnen aus dem Raum irgendwie bekannt vorkommen. Manches ist nicht offensichtlich, aber verlängert man im Geiste die eine oder andere Linie ergeben sich raumfreundliche Formen.

Wie auch in der Kirche selbst, gibt es z.B. an der Orgel eine Vielzahl von Trapezformen, die sich je nach Perspektive immer zu größeren oder kleineren Elemente „zusammendenken“ lassen. Manches verkehrt sich ins Gegenteil, aber was wäre Schwarz ohne Weiß.

Das Spiel von Linien, die in imaginären Punkten (gleich Fluchtpunkten) zusammenlaufen, erzeugt gerade bei den Fenstern, ohne die Farbgebung zu berücksichtigen, eine interessante und spannungsvolle Lichtarchitektur. Diese Punkte existieren auch für die Orgel.

Die Farben der Fenster selbst, sind an Leuchtkraft kaum zu überbieten. Rot dominiert uneinholbar das faszinierende Farbenspiel, das den ganzen Kirchenraum mit Licht durchflutet. Kein Wunder, wenn man die Sonne zum Verbündeten hat.

Dieses Schauspiel umfängt die „Königin Orgel“. Mit aristokratischer Zurückhaltung kleidet Sie sich lieber in royalem Blau, denn sie will nicht mit der Sonne konkurrieren, Die verwendeten Blautöne sind keineswegs fremd, sie finden sich eben eher im Hintergrund.

In einer Beziehung ist Ihre Hoheit sowieso konkurrenzlos, sie durchflutet den Raum mit Klang.

Klang

Vielleicht an dieser Stelle, zur Schärfung der Vorstellungskraft, ein kleiner Ausflug in die Malerei.

Die Grund(Klang-)farben, die unser Klangmaler, also der Organist, für sein musikalisches Gemälde auf der Palette hat, nennt man im Orgelbau Register. Die Palette selbst als übersichtliche Zusammenfassung aller Grundfarben heißt Disposition.

Die Farben können als Grundfarbe oder zu einem neuen Farbton gemischt, verwendet werden, je nach dem welche musikalische Intention und welcher Ausdruck dem Motiv (dem Musikstück) zugedacht wird.

Zum einen sollen die einzelnen Register (Grundfarben) für sich schön und ausdruckskräftig sein, andererseits können sie sich mit jeder andern Klangfarbe mischen und so einen ganz neuen Farbton oder nur eine Farbnuance erzeugen. Die auf diese Weise entstandenen Klangfarben lassen je nach Mischung, die einzelnen Grundfarben (bei genauer Betrachtung) transparent durchschimmern und wirken dennoch eigenständig. Soviel zur Farbenlehre der Orgelbauer.

Gestern wie heute gibt es eine enorme Bandbreite von Orgelmusik und damit verbundenen Klangvorstellungen. Die heutige Disposition folgt Herrn Saums Vorschlag 1 (19 Reg + Transm.), der vom Orgelbau der deutschen Romantik* inspiriert ist. Auf dem Weg zur endgültigen Fassung gab es noch da und dort Veränderungen, die einvernehmlich in die heutige Disposition eingeflossen sind.

Man kann eine gewisse „romantische“ Neigung nicht verleugnen, die dem Gesamtklang einen sehr eigenständigen Charakter verleiht.

Im Hauptwerk, das seinen Namen zu recht trägt, tritt natürlich der markanter Principal 8´ als Drehpunkt des gesamten Klanggefüges an die vorderste Stelle dieser Disposition

Bemüht man das Lexikon zum Wort Principal, findet man erklärende Worte wie „an erster Stelle stehend, Fürst, Gebieter, Direktor, Geschäftsinhaber ….“. Selbst die Worte Prinz und Prinzip haben den gleichen Ursprung.

Die Pfeifen dieses Registers sind, entsprechend der klanglichen Bedeutung, im Prospekt der Orgel nicht nur zu sehen, sondern vor allen Dingen besonders präsent zu hören. Sie erinnern sich gewiss an die 33 Grazien.

Auf den Principal 8´bauen sich, immer höher werdend, alle anderen Principalregister in Oktavschritten (teilweise auch Quintschritten) zu einem so genannten Plenum auf. Diese Register heißen darum Octave 4´, Superoctave 2´ und Mixtur 2 2/3´. Die gleiche Vorgehensweise findet sich auch bei den Pedalregistern, eine Oktave tiefer beginnend mit Contrabass 16´, dann Octavbass 8´ und Choralbass 4´.

Dies könnte man als vertikale Achse des Klangaufbaus bezeichnen. Ein „Princip“, dessen Güte seit Jahrhunderten für die Orgel unumstritten ist. Der klassische Orgelaufbau sozusagen.

Die horizontale Achse zum Principal 8´ bilden die Register gleicher Tonhöhe, aber anderer Klangfarbe. Diese horizontale Klangstruktur hat sicher alte Ursprünge, sie wurde aber ganz besonders in der Zeit der Romantik kultiviert. Der Wunsch nach einem orchesterhaften und breiten Klang, ließ die Brillanz der klassischen Barockorgel zu Gunsten vieler interessanter Solostimmen in den Hintergrund treten. Hier sind z.B. Gamba 8´und Konzertflöte 8´ im Hauptwerk.

Das Wort Romantik hat nichts mit verklärten Rosenkavalieren im Mondenschein oder ähnlichem zu tun, sondern ist Überbegriff für die Künste, unter anderem auch der Musik des 19. und angehenden 20. Jahrhunderts. Vielleicht ist sie als Gegenbewegung zur harten Realität der Industrialisierung zu sehen

Das Schwellwerk umschließt die Pfeifen als geschlossener Kasten. Auf der Vorderseite befinden sich Jalousien, die über einen Fußtritt vom Organisten stufenlos zu öffnen und zu schließen sind. So kann er übergangslose Lautstärkeneffekte erzeugen, die mit dem sonst statischen Pfeifenklang nicht möglich wären.

Inspiriert von der deutschen Orgelromantik, ist das Schwellwerk als Echo des Hauptwerks angelegt.

In diesem Schwellwerk findet sich noch immer die erwähnte klassische Klangstruktur in abgeschwächter Form, aber genau genommen ist es ein kleines, aber exquisites Geschäft für delikate romantische Solostimmen.

Im Gegensatz zum viel stärker besetzten französischen „Récit expressif“ (Schwellwerk) mit kräftigen Zungenstimmen, kommt die Ausdruckskraft des deutschen Schwellwerks, mehr aus der dezenten Abstimmung und Abstufung jeder einzelnen Stimme, als aus der Lautstärke. Es ist schließlich Echo und nicht Rufer.

Mit diesen Grundzügen erfüllt das Instrument nicht nur alle Aufgaben der liturgischen Gestaltung, sondern schon viele darüber hinaus. Nicht nur die Musiker seien eingeladen Fülle und Pracht dieser Orgel zu entdecken.

Disposition

in Zahlen